Gast | Zitat:
Kurt Bergel vom Reifen-Test-Center des TÜV Bayern Sachsen fährt keine runderneuerten Sommerreifen und kennt auch keine Kollegen, die das tun. Norman Gebhardt vom Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie hat sie ebenfalls nicht auf den Felgen und selbst der Geschäftswagen von Burkhardt Köller muß im Sommer ohne sie auskommen. Köller ist Geschäftsführer der Firma Vergölst, einem der größten Hersteller von runderneuerten Reifen.
Die Herren haben eine gute Begründung: Ihre Wagen sind einfach zu schnell für die Öko-Schlappen. Köller fährt zum Beispiel einen BMW der 5er-Reihe mit einer Spitzengeschwindigkeit von weit über 200 Stundenkilometern.
Bei solchem Tempo ist das Risiko zu groß, daß dem Fahrer die Fetzen um die Ohren fliegen. Wenn überhaupt, werden daher runderneuerte Winterreifen gekauft. Bei Matsch und Schnee kann man sowieso nicht mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn spurten.
Unbestritten ist, daß die Runderneuerten nicht nur etwa ein Drittel billiger, sondern auch ökologisch sinnvoller sind als Neureifen. Für die Produktion eines neuen Pneus werden 35 Liter Rohöl gebraucht, für die eines runderneuerten nur 5,5 Liter.
Wir haben sechs Reifenmarken, jeweils Winter- und Sommerreifen, vom TÜV Bayern Sachsen auf ihre Sicherheit überprüfen lassen. Im Test sind die meistverkauften Reifentypen. Sie passen zum Beispiel auf Kleinwagen wie Ford Escort, VW Golf oder Opel Kadett.
Jeweils fünf Reifen einer Sorte wurden in Härtetests geschickt, bei denen sich auch kleinste Fehler in der Lauffläche oder der Reifenkarkasse bemerkbar machen. Jeweils ein Runderneuerter mußte zuerst den Dauerlauftest überstehen. Dabei hat jeder Reifen den Test bestanden, der 8000 Kilometer ohne größere Schäden überlebt. Ein Sommerreifen der Firma Ihle versagte bei diesem Test kläglich. Er machte schon nach 3340 Kilometern schlapp und konnte dadurch nicht mehr in die zweite Runde, den Hochgeschwindigkeitstest.
Dabei werden die Reifen so hoch beschleunigt, bis sie platzen. Sie müssen auf jeden Fall länger als 20 Minuten das Tempo aushalten, bis zu dem sie zugelassen sind. Das ist für die Winterreifen 160 km/h, für die Sommerreifen 180 km/h. Darüberhinaus gilt: Je höher die erreichte Geschwindigkeit, desto besser die Qualität.
Bei den Sommerreifen ging insgesamt vieren vorzeitig die Luft aus. Ein Reifen von Vergölst hielt gerade 20 Minuten durch. Für uns nicht genug.
Die Winterreifen haben dagegen alle bestanden. Was auf den ersten Blick positiv aussieht, wirft auf den zweiten ein bedenkliches Licht auf die Hersteller. Weil wir im Frühjahr im Handel keine runderneuerten Winterreifen bekamen, bestellten wir die Reifen für den Test direkt bei den Firmen. Die haben die recycelten Pneus offensichtlich vorher besonders unter die Lupe genommen. Das Testergebnis zeigt damit, daß die Hersteller können - wenn sie nur wollen.
Bei diesen Ergebnisse ist es kein Wunder, wenn die Verbraucher lieber zu neuen Pneus greifen, oft Billigangeboten aus Fernost. Obwohl die Wühltisch-Marken in Tests nicht besser abschneiden als recycelte Reifen, verdrängen sie die Runderneuerten vom Markt.
Die Angst, daß einem das Gummi auf der Autobahn um die Ohren fliegt, ist groß. Eine Statistik des Kraftfahrzeugüberwachungsvereins DEKRA zeigt jedoch, daß meist nicht der Hersteller, sondern Halter oder Monteur schuld daran sind, wenn ein Reifen platzt. Das Unfallrisiko ist groß, wenn das Fahrzeug zum Beispiel überladen wird oder die Reifen nicht genügend Luft bekommen. Die Gefahr steigt außerdem bei hohem Tempo. Wir warnen daher davor, den Wagen bis zur erlaubten Spitzengeschwindigkeit zu fahren. Das ist nicht nur besser für die Sicherheit, sondern auch für die Umwelt.
Bislang sind nur wenige dazu bereit, aus ökologischen Gründen vom Gaspedal runterzugehen und auf die recycelten Reifen umzusteigen. Nur die großen Runderneuerer konnten ihre Umsätze halten oder sogar steigern. Insgesamt sieht die Entwicklung der Verkaufszahlen eher düster aus. Burkhardt Köller von Vergölst drückt sich vorsichtig aus: "Der Markt stagniert - wenn man es positiv sehen will." Um zu diesem Urteil zu kommen, muß man krumme Linien schon sehr gerade gucken. Eine Statistik des Umweltbundesamtes verzeichnet einen starken Rückgang beim Reifenrecycling: Von 1983 bis zum Jahr 1987 ging der Verkauf um mehr als 30 Prozent zurück. Vor allem viele kleine Firmen zogen sich aus dem Geschäft zurück. Heute werden von 545000 Tonnen Altreifen nur noch 18 Prozent runderneuert, zum allergrößten Teil LKW-Reifen.
Der "Rest" von 82 Prozent oder fast 450000 Tonnen pro Jahr muß auf andere Art entsorgt werden. Knapp die Hälfte verbrennt in Zementwerken. Doch die Energieausbeute ist dabei relativ gering, der Schadstoffausstoß problematisch. Andere werden als Fisch- oder Austernlaichplätze in die See versenkt oder landen in der Landwirtschaft, wo sie Plastikplanen zieren. Ein Teil wird außerdem in die sogenannte Dritte Welt exportiert, wo die Reifen so lange gefahren werden, bis der Stahlgürtel blank liegt.
40000 bis 50000 Tonnen werden pro Jahr zu Gummimehl oder Gummigranulat geschreddert. Die Firma Gummi Mayer bastelt daraus zum Beispiel Platten für Kinderspielplätze oder Poller für Verkehrsinseln. Doch selbst für Wilhelm Lenz, den Geschäftsführer der Gesellschaft für Altgummi-Verwertungs-Systeme, ist das nichts weiter als "eine Warteschleife bis zur Deponie".
Die Gesellschaft grübelt daher über bessere Recycling-Möglichkeiten. Sie will die Gummimischung in ihre Mineralölfraktionen trennen und anschließend daraus zum Beispiel wieder Kunststoffe herstellen. Verhandlungen mit dem Chemie-Riesen Veba laufen, doch über Laborversuche ist das Verfahren noch nicht hinausgekommen.
Die Runderneuerung bleibt damit die beste Alternative. Doch die Hersteller der recycelten Pneus haben sich selbst in Mißkredit gebracht. Ihre Reifen sind in Tests des ADAC immer wieder durchgefallen. Dabei ging selbst denen die Luft aus, die sich mit dem sogenannten "RAL-Gütezeichen" schmückten. Das Zeichen, das Ende der 70er Jahre eingeführt wurde, bekam nur, wer die Auflagen der Güteschutzgemeinschaft der Runderneuerer einhielt. Doch die Bedingungen waren mau. Ein Dauerlauftest wie bei unserer Untersuchung war zum Beispiel nicht dabei.
Nachdem die Runderneuerer das Vertrauen in das Siegel ruiniert haben, versuchen sie es nun mit einem neuen Zeichen. Vergölst, Reiff, Ihle und Schwarz haben sich Ende des vergangenen Jahres zum Verband der Arbeitsgemeinschaft industrieller Runderneuerer (AIR) zusammengeschlossen und sich eine bessere Qualitätssicherung auferlegt. Die wird durch den TÜV Bayern Sachsen überprüft. Zwischen 30 und 150 Reifen, etwa 0,05 Prozent der Produktion, kommen beim Technischen Überwachungsverein auf den Prüfstand. Zusätzlich sehen sich die Prüfer die Werkshallen an, um zu kontrollieren, "ob die Runderneuerer auf dem Stand der Technik arbeiten, und nicht etwa die Gummipaste mit Spachtel und Löffel auftragen", wie sich Gert Walter vom TÜV Bayern Sachsen ausdrückt.
Bei der Runderneuerung wird die alte Lauffläche der Reifen von der Karkasse abgeschält und eine neue aufvulkanisiert. Doch nicht alle Altreifen bekommen die Chance auf ein zweites Leben. Reifen mit groben Schäden, wie Nägeln oder Rissen, müssen aussortiert werden. Auch einige Reifenmarken, wie Pirelli, dürfen bei Vergölst nicht als Runderneuerte auferstehen. Bei Gummi Mayer, Reiff oder Strobel werden die Reifen außerdem aufgeheizt. Vergölst verzichtet auf diese Prüfung. Blasen und Beulen zeigen bei diesem Verfahren jedoch, ob sich einzelne Lagen der Gummimischung voneinander oder von dem Stahlgürtel gelöst haben. Schäden, die man sonst nicht unbedingt sehen kann.
Manfred Strobel, Chef von dem kleinen Runderneuerungsbetrieb Strobel in Hof an der Saale, hat ein solches Prüfsystem in der bayerischen Innung vorgeschlagen und damit die AIR mit ins Leben gerufen. Nun gibt es die Arbeitsgemeinschaft und das Siegel vom TÜV, doch Strobel kann nicht mitmachen. Die Kontrollen sind ihm, bei dem pro Jahr nur etwa 7000 Reifen aus der Halle rollen, einfach zu teuer. "Da müßte ich auf jeden Reifen etwa 10 Mark aufschlagen", sagt Juniorchef Wolfgang Strobel. Trotzdem läßt auch er beim TÜV prüfen. Zweimal im Jahr rückt der technische Überwachungsverein an und holt fünf Reifen zur Prüfung ab.
Obwohl sich die Firma Strobel ähnliche Prüfungen auferlegt hat wie die AIR, hatten wir einen Reifen mit einem Flicken von gut zehn Zentimeter Durchmesser von ihnen im Test. Er hat die Pürfbedingungen zwar überstanden, doch "eigentlich hätte er aussortiert werden müssen", wundert sich Wolfgang Strobel.
Unser Test zeigt, daß die Kontrollen immer noch nicht ausreichen, um alle Fehler zu entdecken. Die Reifen sind zwar nach Meinung von Gert Walter vom TÜV Bayern Sachsen "bedeutend besser als noch vor einigen Jahren", doch so sicher wie Neureifen sind sie immer noch nicht. Jörg Ahlgrimm, bei der DEKRA verantwortlich für die technische Überwachung, kritisiert zum Beispiel, daß die Mitglieder der AIR Altreifen verwenden dürfen, die bis zu fünf Jahre alt sind. Nach Ahlgrimm sollte bei drei Jahren Schluß sein, da ein Reifen insgesamt nicht älter als sieben Jahre werden sollte.
Besser als die vorwiegend "visuellen" Kontrollen wäre außerdem zum Beispiel die sogenannte Laser-Shearografie. Mit ihr kann der Reifen durchleuchtet werden, selbst kleinste Schadstellen werden dadurch sichtbar. Bislang werden mit ihr jedoch nur recycelte LKW-Reifen routinemäßig untersucht. Für PKW-Reifen ist die Prüfung den Runderneuerern zu teuer.
Autor: Dorothee Meyer-Kahrweg www.oekotest.de | |